Die Ausstellung „Think Global, Build Social!“ fordert mehr gesellschaftliches Engagement von der zeitgenössischen Architektur.
Schulen aus Bambus in Ecuador, ein Frauenzentrum in Senegal, wachsende Wohnhäuser in Chile; Plattenbauten in Frankreich, die durch Balkone verschönert werden und ein weltweit einzigartiges Wohnprojekt, bei dem in Österreich Obdachlose und Studierende zusammenleben.
„Think Global, Build Social! Bauen für eine bessere Welt“ heißt die Ausstellung im Architekturzentrum Wien, bei der 22 ausgewählte Projekte einer alternativen und sozial engagierten Architektur präsentiert werden. Vor allem Infrastruktur-Bauten werden vorgestellt, vorwiegend an Standorten abseits von Industrieländern.
Dem KuratorInnen-Team rund um Andreas Lepik war es wichtig, dass die Projekte mehr oder weniger aktuell sind. Und, dass sie dort, wo sie gebaut wurden, schon Wirkung gezeigt haben.
Aber auch die Verbindung von Ethik mit Ästhetik war bei der Auswahl der Projekte mitentscheidend. Statt „Less Aesthetics, More Ethics“, dem Motto, das durch die Biennale Venedig 2000 geprägt wurde, will Lepik Gegenteiliges aufzeigen: Dass soziales und nachhaltiges Bauen nicht unbedingt heißen muss, dass das Ergebnis unästhetisch aussieht.
„Think Global, Build Social!“ ist dabei durchaus als ein Aufruf an die zeitgenössische Architektur zu verstehen, sich wieder vermehrt gesellschaftlichen Aspekten zuzuwenden: Welche Verantwortung hat zeitgenössische Architektur? Und welche Lösungen hat sie für jenen – großen – Teil der globalen Bevölkerung zu bieten, die es sich nicht leisten kann, als Auftraggeber zu fungieren?
Die Frage nach dem Material ist bei der Schau wohl die entscheidende: Welches Material ist vor Ort wirklich angemessen? Ein Beispiel dafür ist die METI-School der deutschen Architektin Anna Heringer in Rudrapur, Bangladesch. Das westliche Vorbild von Bauten aus Stahl, Beton und Glas macht in der Region aufgrund der klimatischen Bedingungen wenig Sinn, daher verbindet Heringer in ihren Konstruktionen die traditionelle Lehmbauweise mit Bambus. Durch Adaptierungen und Neuerungen wurden die lokalen Bautraditionen modernisiert.
„Think Global, Build Social!“ läuft noch bis 30. Juni im Wiener Architekturzentrum.
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Dabei waren die Menschen vor Ort anfangs etwas verwundert, dass jemand aus dem Westen mit traditionellen lokalen Elementen arbeiten will. Manche Ansässige mussten regelrecht überzeugt werden, dass das Konzept so Sinn mache, berichtet Projektleiterin Sonja Pisarik beim gemeinsamen Ausstellungsrundgang mit dem Südwind-Magazin. Auch beim Projekt des Star-Architekten Diébédo Francis Kéré sei das so ähnlich gewesen. Der in Burkina Faso geborene Kéré studierte in Deutschland Architektur, ging dann zurück in seinen Heimatort Gando, um dort einen Schulcampus aufzubauen – die traditionelle Bauweise aus Lehm sollte dabei beibehalten werden.
Es ist oft persönliches Engagement, das die in der Ausstellung vorgestellten Projekte ermöglicht hat. Es stecke viel Idealismus hinter einer solchen Arbeit, meint Pisarik. Etwa beim Bau des ersten Frauenzentrums in Senegal: Über Jahre reisten die finnischen Architektinnen Saija Hollmen, Jenni Reuter und Helena Sandman immer wieder in die Stadt Rufisque nahe der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Mit den Frauen im Ort besprachen sie, was sie benötigen und entwickelten mit ihnen zusammen Baumodelle. Bei der Eröffnung im Jahr 2001 wurden die Architektinnen nur noch am Rande erwähnt, da sich die senegalesischen Frauen so sehr mit dem Projekt identifizierten, dass es schon ganz zu ihrem geworden war.
„Think Global, Build Social!“ entstand in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Für Wien wurde die Schau um einen Österreich-Schwerpunkt ergänzt. Denn Österreich, so fand man bei der Recherche heraus, spielt eine besonders wichtige Rolle im Design-Build-Bereich. Also bei jener Architektur, bei der Pläne nicht für die Schublade gezeichnet, sondern tatsächlich auch umgesetzt werden.
Beim von Pisarik kuratierten Österreich-Teil sticht vor allem eine Initiative heraus: der vom Grünen-Politiker Christoph Chorherr gegründeten „s2arch – Verein für soziale und nachhaltige Architektur”. Der Verein hat seit der Gründung 2004 zusammen mit Studierenden heimischer und internationaler Architekturfakultäten über 42 Projekte in Südafrika initiiert.
Sara Schausberger arbeitet als Kultur-Journalistin in Wien.
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